Aus dem Werkzeugkasten: Conjecture Mapping

Ein Strukturierungswerkzeug für Design-Based Research

Dr. Anne Reh
Erstellt am 28.06.2024.

In der Welt der Bildungsforschung hat sich Design-Based Research als ein kraftvolles und flexibles Werkzeug etabliert, um praxisnahe Lösungen für pädagogische Herausforderungen zu entwickeln und zu testen. Doch gerade diese Flexibilität hat zu Kritik geführt (u.a. Kelly, 2004), die DBR einen Mangel an Struktur und Klarheit vorwirft. Hier setzt das Conjecture Mapping (Hypothesenkartierung) von Sandoval (2014) an, indem es einen strukturierten Rahmen bietet, der die Planungs- und Durchführungsprozesse innerhalb des Design-Based-Research-Ansatzes klarer und systematischer gestaltet.

Was ist Design-Based Research?

Design-Based Research ist ein forschungsbasierter Ansatz, der sich durch iterative Entwicklungs- und Evaluationszyklen auszeichnet (McKenney & Reeves 2019). Ziel ist es, theoretisch fundierte und praktisch relevante Bildungsinterventionen zu entwickeln. Im Gegensatz zu traditionellen Forschungsansätzen, die oft in kontrollierten Umgebungen stattfinden, wird DBR direkt in realen Bildungskontexten durchgeführt. Es vereint die Entwicklung und Evaluation von Bildungsinnovationen mit der Generierung neuer theoretischer Einsichten (McKenney & Reeves 2019; Prediger 2019). Neuere Entwicklungen stellen auch immer mehr den systematischen Austausch von Wissenschaft und Praxis durch so genannte Research-Practice-Partnerships zentral (Peneul et al. 2021).

Die Herausforderung der Struktur in DBR

Einer der Hauptkritikpunkte an DBR ist seine Offenheit, die dazu führen kann, dass Forschungsprojekte unstrukturiert und beliebig wirken. Diese Kritik basiert auf der Tatsache, dass DBR-Projekte oft ohne klar vorgegebene Hypothesen oder Strukturen beginnen und sich stattdessen im Laufe der Zeit durch iterative Prozesse weiterentwickeln. Dies kann es schwierig machen, die zugrunde liegenden Annahmen und Entscheidungen transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren.

Conjecture Mapping: Struktur durch Hypothesenkartierung

Das Conjecture Mapping adressiert diese Herausforderung, indem es einen strukturierten Ansatz zur Planung und Dokumentation von DBR-Projekten bietet (Sandoval 2014). Der Kern des Conjecture Mapping liegt in der Formulierung von sogenannten Designvermutungen zu Beginn eines Projekts. Diese Designvermutungen sind Annahmen darüber, wie bestimmte Designelemente der Intervention zu den gewünschten Bildungsresultaten führen könnten.

Aufbau einer Conjecture Map

Ein Conjecture Map besteht aus mehreren zentralen Komponenten (Sandoval 2014):

  1. High-Level Conjectures (Design-Vermutungen): Diese umfassen die allgemeinen Annahmen darüber, wie die Intervention funktionieren sollte und welche theoretischen Prinzipien ihr zugrunde liegen.
  2. Embodiment (Design-Entscheidungen): Diese betreffen konkrete Designelemente und wie diese die hochrangigen Vermutungen unterstützen sollen. Beispiele hierfür könnten spezifische Aufgabenstellungen, Interaktionsdesigns oder technologische Tools sein.
  3. Mediating Processes (Mediationsprozesse): Dies sind die Prozesse, die erklären, wie die Designelemente tatsächlich die gewünschten Resultate bewirken. Dazu gehören Lernaktivitäten, kognitive Prozesse und soziale Interaktionen.
  4. Outcomes (Ergebnisse): Schließlich werden die erwarteten Ergebnisse sowohl auf Ebene der Lernprozesse als auch der Lernresultate festgelegt.
Conjecture Map
Abbilung1: Conjecture Mapping (entnommen aus Sandoval 2014, S. 21).

Durch die klare Strukturierung dieser Komponenten bietet das Conjecture Mapping eine transparente und nachvollziehbare Dokumentation der Forschungsprozesse und Entscheidungen innerhalb eines DBR-Projekts. Erweiterungen, insbesondere zu Theoretisierung von Produkten und Prozessen in der Designforschung finden sich bei Prediger (2024).

Vorteile des Conjecture Mappings

  • Klarheit und Transparenz: Es macht die zugrunde liegenden Annahmen und Entscheidungen in einem DBR-Projekt explizit und nachvollziehbar.
  • Struktur und Fokus: Es hilft Forschern, sich auf die wesentlichen Elemente und Prozesse ihrer Intervention zu konzentrieren und diese systematisch zu evaluieren.
  • Reflexivität und Anpassungsfähigkeit: Es ermöglicht eine kontinuierliche Reflexion und Anpassung der Forschungsdesigns auf Basis empirischer Erkenntnisse, ohne die Gesamtstruktur aus den Augen zu verlieren.

Fazit

Conjecture Mapping stellt eine wertvolle Ergänzung zum Design-Based Research dar, indem es die strukturellen Schwächen dieses Ansatzes adressiert und somit eine klarere, systematischere und nachvollziehbarere Forschungsplanung und -durchführung ermöglicht.

Literatur

  • Prediger, S. (2019). Theorizing in Design Research: Methodological reflections on developing and connecting theory elements for language-responsive mathematics classrooms. Avances de Investigaciónen Educación Matemática, 8(15), 5–27. https://doi.org/10.35763/aiem.v0i15.265
  • Prediger, S. (2024). Conjecturing is not all: Theorizing in design research by refining and connecting categorial, descriptive, and explanatory theory elements. EDeR – Educational Design Research, 8(1), 1-30. https://doi.org/10.15460/eder.8.1.2120
  • Kelly, A. E. (2004). Design research in education: Yes, but is it methodological? Journal of the Learning Sciences, 13, 115–128. https://www.jstor.org/stable/1466935
  • McKenney, S. & Reeves, T. (2019). Conducting Educational Research. London und New York: Routledge.
  • Sandoval, W. (2014). Conjecture mapping: An approach to systematic educational design research. Journal of the Learning Sciences, 23(1), 18–36. https://doi.org/10.1080/10508406.2013.778204
  • Penuel, W.; Furtak, E. M. & Farrell, C. C. (2021). Research-practice partnerships in education. Advancing an evolutionary logic of systems improvement - In: Die Deutsche Schule 113(1), S. 45-62. https://doi.org/10.25656/01:22074
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